Dieses Wochenende ist Segelfreizeit. Ich freue mich schon wie Bolle und treffe früh morgens um 10 Uhr beim Clubgelände am Ratzeburger See ein. Wir haben Sturm. Na gut, kein Sturm im Sinne der Beaufort-Skala, aber für uns, normale Freizeitsegler, fühlt sich das wie Sturm an. Der Ratzeburger See ist jedenfalls zum Leben erwacht und spielt mit seinen Muskeln. Überall blitzen weiße Schaumkronen hervor. Das Wetter ist kühl geworden und ich ziehe mir erstmal das warme Fleece und die Segeljacke über, bevor ich vom Auto zum Hafen schlender.
Genau genommen weiß ich nicht, was mich dieses Wochenende erwartet. Auch meine Mitstreiter sind mir größtenteils unbekannt. Wie sich herausstellt, sind wir dieses Wochenende zu viert plus Trainer. Jens hat das ganze Training organisiert. Das Training ist auch in anderer Hinsicht ungewöhnlich. Wir sind alle jenseits der Opti-Zeit – manche weit, manche noch weiter davon entfernt. Ein Training für Erwachsene also. Karin hat ihre Tochter mitgebracht und wohnt bei Jens in der kleinen Hütte auf dem Clubgelände. Als Henry dann eintrifft, machen wir erstmal eine Lagebesprechung in Jens Hütte. Es gibt Kaffee und wir halten einen Klönschnack über dies und das. Jeder kommt von einer anstrengenden Woche und muss sich erstmal einpegeln auf dieses Freizeitabenteuer. Karin hat sich ein Kopftuch umgebunden und das Ganze versprüht eine unglaubliche Urlaubs-Atmosphäre. Ich schaue mich neugierig in Jens Hütte um: sehr skandinavisch sieht sie aus. Schön offen und freundlich und ungemein hüggelig, wie die Dänen sagen.
Wir kommen überein, dass wir erstmal alle Laser auftakeln und eine Bestandsaufnahme machen. Normalerweise werden die fünf Club-Laser von den Jugendlichen gesegelt. Unter den Lasern sind einige Schätzchen dabei, die sich auch in einer ausgewachsenen Regatta messen könnten. Allerdings merkt Henry schnell, dass es dieses und jenes zu optimieren gibt und wird das ganze Wochenende fleißig an unseren Booten basteln.
Henry erklärt uns die wichtigsten Kniffe für Starkwind: Cunningham, Unterlieg-Strecker und vor allem Baumniederholer maximal anballern. Dann ist die Ziege zwar luvgierig wie Sau, aber sie lässt sich aufrecht segeln. Wellen aussteuern. Auch vor dem Wind das Schwert unten lassen und den Baumniederholer leicht anziehen, damit das Boot nicht so kippelig wird. Und Schwups, sind wir auf dem Wasser und kämpfen mit Wind und Wellen. Die Arbeit und alles ist wie weggewischt aus meinen Gedanken. Hier geht nur noch ums Segeln. Henry legt ein paar Tonnen aus, zwischen denen wir hin und her fahren. Erst Wenden, dann Halsen. Wir kentern unzählige Male, werden mit der Zeit aber mutiger und sicherer. Henry stellt sich als routinierter Trainer heraus, der alle Kniffe kennt. Mit dem Motorboot begleitet er uns und gibt uns immer wieder Tipps und treibt uns an. Vom Kenntnisstand sind wir genauso inhomogen wie vom Alter. Henry nimmt sich für jeden Zeit und auch diejenigen, die das Segeln erst später als Erwachsene gelernt haben, fühlen sich sicher betreut.
Abends beim Bier und Schnitzel im Vereinszelt gesellen sich auch noch andere Clubmitglieder zu uns. Henry analysiert mit uns Videos von den Profis. Später stellt sich heraus, dass Henry nicht nur Segeltrainer, sondern auch Autor, Maler, Illustrator, Filmemacher, Produzent, Verleger und Musiker ist. Und er hat den Wullefump geschrieben! Ein Buch über ein liebenswürdiges Seeungeheuer, das im Ratzeburger See lebt und Sehnsucht nach dem Meer hat. Viele von uns kaufen das Buch und die Unterhaltung schwenkt vom Segeln zu Kinderbüchern, zu Astrid Lindgren, zur Kunst im Allgemeinen und zu sonst noch so Dingen, die uns durch den Kopf gehen.
Auch der Sonntag ist vom Sturm geprägt. Wir müssen das Segeln auf 14 Uhr verschieben, weil ein Drücker nach dem nächsten über den See jagt. Stattdessen basteln und optimieren wir an den Booten weiter. Wind und Wetter sind halt nicht planbar. Gegen 14 Uhr kommen wir dann aber doch nochmal für eine Stunde aufs Wasser und rasen wie wild über den See. Henry kommt mit dem Motorboot kaum noch hinterher.
Später an Land kommt die Sonne endlich doch für eine kurze Zeit raus und wärmt und trocknet uns. Der nasse Rasen dampft. Wir lassen das Wochenende bei Kaffee und Kuchen ausklingen. Und ehe ich mich versehe, sitze ich wieder im Auto auf der Autobahn. Mit im Gepäck habe ich viele schöne Momente und Erinnerungen. Es ist schön zu wissen, dass es einen Wullefump bei uns im See gibt. Und ich freue mich bereits jetzt schon auf das nächste Laser-Training. Danke euch allen und bis August!
Text: Max Kopp
Fotos/Videos: Henry Sperling, Max Kopp, Andreas